Louise Michel

Louise Michel (1830-1905)

Louise Michel war auch bekannt als “die rote Wölfin”. Sie war eine der populärsten Wortführerinnen des anarchistischen Sozialismus der 80er und 90er Jahre des 19. Jahrhunderts und gilt als Symbolfigur der Pariser Kommune im Frühjahr 1871.

Sie wurde als Tochter einer Dienstmagd geboren. Nach eigener Aussage gelangte sie zu ihrem dezidierten Klassenstandpunkt aufgrund der in ihrer Kindheit und Jugend unmittelbar erlebten Not der Bauern und der Qual von Tieren:

“Von der Zeit, da ich auf dem Land die Grausamkeiten gegen die Tiere erlebte und das entsetzliche Bild ihrer Lebensbedingungen erfaßte, stammt mein Mitleid für sie und dadurch mein Bewußtsein über die Verbrechen der Macht”.

Als ihren wesentlichen Antrieb ihres politischen Aufbegehrens beschreibt sie stets das Gefühl der Verbundenheit und Solidarität: “Im Kern meiner Empörung gegen die Starken finde ich, so weit ich zurück denken kann, meinen Abscheu gegen die Tierquälerei wieder”.

An einer anderen Stelle schrieb sie:

“Die harte Feldarbeit sah ich so, wie sie ist: sie beugt den Menschen wie den Ochsen über die Furchen; das Schlachthaus steht für das Tier bereit, wenn es verbraucht ist; der Bettelsack für den Menschen, wenn er nicht mehr arbeiten kann.”

Der Anblick einer geköpften Gans führte dazu, dass sie ihr im Alter von 8 Jahren schlecht wurde beim Anblick von Fleisch: “Um den Ekel zu überwinden, bedurfte es großer Willensanstrengung und des Zuredens meiner Großmutter, die mir vorhielt, ich werde viel zu große Gemütsbewegungen im Leben erfahren, als daß ich mich bei dieser Eigenart gehenlassen dürfe.”

Darüber hinaus führte diese Erfahrung auch zur Abscheu gegenüber der Todesstrafe:

“Einige Jahre später wurde in einem Nachbardorf ein Vatermörder hingerichtet; zu der Stunde, da er sterben sollte, mischte sich in meinem Grauen vor der Todesqual des Mannes meine Erinnerung an die Todesqual der Gans.”

So zog sie schon früh die Verbindung zwischen der Ausbeutung von Menschen und anderen Tieren. Später in Paris sah sie Arbeiter, die vor Hunger sterben und Reiter, die mit der Brust ihrer Pferde Versammlungen durchbrachen und verurteilte diese Ausbeutung. Sie glaubte, “dass alle ein Recht auf alles haben, was auf der Erde, ihrem Nest, gibt, genau wie die kleinen Vögel, die im selben Frühling auf die Welt kommen, auf den Erntefeldern gemeinsam nachlese halten werden”.

Als sie 1852 ihre Ausbildung zur Lehrerin abgeschlossen hatte, weigerte sie sich, einen Eid auf den monarchistischen Staat abzulegen. Ihre Ablehnung von Napoléon III. verhinderte jedoch ihre Einstellung im staatlichen Schuldienst. Als sie ein Jahr später dennoch eine Stelle in Paris fand, schaffte sie als erstes das Morgengebet ab. Zudem nahm sie auch an Demonstrationen gegen den Krieg teil, welche von der Polizei niedergeknüppelt wurden. So wurde sie in ihrem Handeln immer radikaler und wurde Teil der Pariser Kommune, ein während des Deutsch-Französischen-Krieges spontan gebildete revolutionäre Pariser Stadtrat, der gegen den Willen der konservativen Zentralregierung versuchte, Paris nach sozialistischen Vorstellungen zu verwalten. Sie war zugleich die erste Regierung in der Geschichte von Arbeitern. Während der Revolution entstand die erste feministische Massenorganisation.

Louise Michel war nicht nur Barrikadenkämpferin, Krankenpflegerin und Initiatorin eines Frauenbataillons der Kommune, sie war zugleich auch Kämpferin gegen die Unterdrückung der Frau. Die Frauen der Pariser Kommune standen für eine „Revolution von unten“, de-zentralistisch organisiert, in zahlreichen politischen Klubs und Frauengruppen. Dass die Ausbeutung von Tieren und die Unterdrückung von Frauen in Verbindung stehen, war für Louise Michel vollkommen klar: “Die Seidenraupen und die Mädchen aus dem Volke sind zum Spinnen geboren. Die Raupe wird gebrüht, und das Mädchen stirbt oder krümmt sich wie gebogenes grünes Holz.”

So eilte sie selbst während der Kämpfe in der “blutigen Maiwoche” im 61. Bataillon von Montmartre “mit allzu großer Selbstverständlichkeit einer in Gefahr geratenen Katze zu Hilfe”.

“Man hat mir oft vorgeworfen, daß ich mehr Sorge für Tiere als für die Menschen empfinde: […] Aber es hängt alles zusammen, von dem Vogel, dessen Nest man zertritt, bis zu den Nestern der Menschen, die der Krieg dezimiert. […] Und das Herz des Tieres ist wie das Menschenherz, sein Gehirn ist das des Menschen, nämlich fähig, zu fühlen und zu begreifen.”

In der befreiten Gesellschaft, wie Michel sich sie vorstellte, gehörten sowohl Tierversuche als auch die Fleischproduktion der Vergangenheit an. Sie verlangte nicht weniger als die vollkommene Freiheit.

“Mein Mitleid für alles, was leidet, für das stumme Tier vielleicht noch mehr als für den Menschen, ging weit; meine Empörung über die sozialen Ungerechtigkeiten ging noch weiter.”

Am 4. September 1904 wurde sie Mitglied der La Philosophie Sociale und veranstaltete dort am nächsten Tag eine Konferenz zum Feminismus.

Louise Michel starb am 9. Januar 1905 in Marseille. Es kamen 120.000 Menschen zur Beerdigung.

Ihre mutigen Kämpfe gegen Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg, Kolonialismus und Rassismus, für die Rechte von Frauen und eine kindgerechte Erziehung sowie ein respektvolles Verhältnis zu Natur und Tieren sind weiterhin aktuell. So wurde das von Banksy zur Seenotrettung im Mittelmeer gestiftete Schiff nach ihr benannt. Es stach Ende August 2020 erstmals in dieser Funktion in See.


Louise Michel was also known as „the red she-wolf“. She was one of the most popularspokeswomenof anarchist socialism in the 80s and 90s of the 19th century and is considered the symbolic figure ofthe Paris Commune in the spring of 1871.

Louise Michel was born as the daughter of a serving-maid. She arrived at her resolute standpoint through the hardship of the peasants and the torment of animals that she directly experienced in her childhood and youth:

“From the time when I experienced the cruelties against the animals in the countryside and grasped the horrible picture of their living conditions, comes my compassion for them and thereby my awareness of the crimes of power.”

She always describes a sense of connection and solidarity, as the essential impetus of her political rebellion.

„At the core of my indignation against the strong, I find as far back as I can think, my abhorrence of cruelty to animals.“

In another passage she wrote:

„I saw the hard work of the field for what it is: it bends man over the furrows like the ox; the slaughterhouse is ready for the animal when it is all used up; the beggar’s sack for the man when he can work no more.“

The sight of a beheaded goose caused her to feel sick at the sight of meat at the age of 8:

„To overcome the disgust it required a great effort of will and the coaxing of my grandmother, who reproached me that I would experience far too great movements of mind in life to let myself go withthis peculiarity.“

Moreover, this experience also led to the abhorrence of the death penalty:

„Some years later, in a neighboring village, a patricide was executed; at the hour when he was to die, mixed in my horror of the man’s agony was my memory of the goose’s agony.“

Thus, early on, she drew the connection between the exploitation of humans and other animals. Later, in Paris, she saw workers dying of hunger and riders breaking through gatherings with the chest of their horses and condemned this exploitation. She believed „that all have a right to everything that gives on earth, their nest, just as the little birds that come into the world in the same spring will glean together in the harvest fields.“

When she completed her teacher training in 1852, she refused to take an oath to the monarchiststate. However, her rejection of Napoléon III prevented her from being hired in the state school service. Nevertheless, when she found a job in Paris a year later, the first thing she did was to abolish morning prayers. She also took part in demonstrations against the war, which were suppressed by the police. Thus she became more and more radical in her actions and became part of the Paris Commune, a revolutionary Parisian city council spontaneously formed during the Franco-Prussian-War, which tried to administer Paris according to socialist ideas against the will of the conservative central government. It was also the first government in the history of workers. During the revolution, the first feminist mass organization was formed.

Louise Michel was not only a barricade fighter, nurse and initiator of a women’s battalion of theCommune, she was also a fighter against the oppression of women. The women of the Paris Commune stood for a „revolution from below,“ organized de-centrally, in numerous political clubsand women’s groups. That the exploitation of animals and the oppression of women were linkedwas quite clear to Louise Michel: „The silkworms and the girls from the people are born to spin. The caterpillar is scalded, and the girl dies or bends like bent green wood.

Thus, even during the fighting in the „bloody week of May“ in the 61st Battalion of Montmartre, she „rushed to the aid of a cat in danger with all too much implicitness.“

„I have often been accused of feeling more concerned for animals than for people: […] But everything is connected, from the bird whose nest is trampled to the nests of people decimated by war. […] And the heart of the animal is like the human heart, its brain is that of humans, namely capable of feeling and comprehending.“

In the liberated society Michel envisioned, both animal testing and meat production would be things of the past. She demanded nothing less than complete freedom.

„My compassion for everything that suffers, for the mute animal perhaps even more than for humans, went far; my indignation at social injustices went even further“.

She became a member of La Philosophie Sociale on September 4th in 1904, and held there a conference on feminism the next day.

Louise Michel died in Marseille on January 9th in 1905. There were 120,000 people at the funeral.

Her courageous fighting against exploitation, oppression, war, colonialism and racism, for the rights of women and an education suitable for children as well as a respectful relationship to nature and animals are still relevant. In 2020, street artist Banksy was credited for sending a rescue ship in the Mediterranean Sea and naming it after Michel.

Autorin: Tamara Kühn


Quellen:

Matthias Rude (2013): Antispeziesismus: Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken. Schmetterling Verlag GmbH, Stuttgart 2013.

L’initiation de Louise Michel le 13 Septembre 1904, suivie de sa première conférence le lendemainsur le thème du féminisme(Mementovom 20. Oktober 2010 imInternet Archive) auf der Websitevon Yann Le Gigan, abgerufen 22. November 2010

Fang (2001): Louise Michel und die Pariser Kommune. Bernd Kramers Buch als Erinnerung und Hommage. Text abrufbar unter: https://www.graswurzel.net/gwr/2001/10/louise-michel-und-die-pariser-kommune/ (Zugriff am 31.05.22)

Louise Michel, Frauen in der Revolution, Bd. 1, Karin Kramer Verlag, Bertlin 1976, S. 40 (Herausgeberin: Renate Sami)

Rosa Luxemburg Stiftung (2021): Text abrufbar unter:https://www.rosalux.de/news/id/45969/buchvorstellung-mit-florence-herve (Zugriff am 02.06.22)

Zeit (2020): Sea-Watch. Banksy finanziert Schiff zur Rettung von Flüchtlingen. Text abrufbar unter: https://www.zeit.de/kultur/kunst/2020-08/sea-watch-banksy-seenotrettung-schiff-fluechtlinge?utm_referrer=https%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2F(Zugriff am 31.05.22)


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