Rosa Luxemburg

Rosa Luxemburg

(* 5. März 1871 als Rozalia Luxenburg in Zamość, Kongresspolen, Kaiserreich Russland; † 15. Januar 1919 in Berlin)

Rosa Luxemburg war eine einflussreiche deutsche Vertreterin der europäischen Arbeiter*innenbewegung, des Marxismus, Antimilitarismus, proletarischem Internationalismus und Revolutionärin polnischer Herkunft. 

Als Mitherausgeberin der Zeitung “Die Rote Fahne nahm sie täglich Einfluss auf die Entwicklung der Revolution. In einem ihrer ersten Artikel forderte sie z.B. die Amnestie aller politischen Gefangenen und die Abschaffung der Todesstrafe. Denn eine ihrer Grundüberzeugungen war, wie sie einmal in einem Brief schrieb: „Ich weiß, für jeden Menschen, jede Kreatur, ist eigenes Leben das einzige, einmalige Gut, das man hat, und mit jedem kleinen Flieglein, das man achtlos zerdrückt, geht die ganze Welt jedesmal unter; für das brechende Auge dieses Fliegleins ist alles so gut aus, als wenn der Weltuntergang alles Leben vernichtete.“.

Den meisten ist Rosa Luxemburg bekannt, aber die wenigsten wissen über tiefe Verbundenheit zu anderen Tieren. Diese kommt jedoch in ihren zahlreichen Briefen zum Ausdruck, mit einer Sprache, die frei von speziesistischen Vorstellungen ist. Hiervon gibt es viele aufzuzählen, nachfolgend können wir nur einen Ausschnitt abbilden. Für ein umfassenderes Bild, lohnt sich ein Blick auf http://totalliberation.blogsport.de/infotext-repression/die-tiere-rosa-luxemburgs/#fn1300385427453n.

Rosa Luxemburg nahm die Tiere in ihrem Umfeld nicht als Objekte wahr, sondern als Individuen, zu denen sie teilweise enge Freundschaften pflegte. Viele interpretieren ihr Denken und Handeln als visionären Kampf um Versöhnung von Mensch und Natur. Ihren Kampf um Befreiung und Freiheit der Leidenden in Gesellschaft und Natur, den Kampf gegen menschgemachte Repression, habe Rosa Luxemburg mit selbsterfahrener Repression, die in der Auslöschung ihres eigenen Lebens gemündet sei, bezahlt. So war sie während des ersten Weltkriegs über drei Jahre in verschiedenen Gefängnissen, bis sie im November 1918 im Zuge der Novemberrevolution befreit wurde und nach Berlin zurückkehren konnte, wo sie schlussendlich ermordet wurde. Während ihrer Isolation in der Haft fühlte sie sich, ihren Briefen zufolge, stärker verbunden mit allen Wesen, die des Leidens fähig sind und vergleicht ihre eigene Situation als Inhaftierte mit der eines Tieres im Käfig oder „eines wilden Tieres im Zoo“. Zudem beschäftigte sie sich dort viel mit Tiergeografie. In ihrer Haftzeit in Wronkehatte sie die Möglichkeit in einen kleinen Garten zu gehen, was sie intensiv nutzte. Dort begegneten ihr die verschiedensten Tiere. Von Wespen, die sich auf Rosas Gesicht setzten, über “Zwergmäuse, [die] vom Feld ins Gefängnis hineingekommen, weil es draußen naß ist“, über Vogelzüge, bei denen sie anmerkte, “dass dort verschiede Arten, die sich sonst als Todfeinde befehden, friedlich nebeneinander die große Reise südwärts übers Meer machen, ja, man sogar beobachtet habe, dass auf dieser Reise große Vögel viele kleine auf ihrem Rücken transportieren”. Zu einigen Vögeln, denen sie in ihrer Haftzeit in Wronke begegnete, entwickelte Rosa Luxemburg eine besondere Beziehung und bezeichnete sie schnell als ihre Freunde, denen sie an ihrem Fenster Futter gab. Sie schrieb weiter: “Ich verstehe […] die Sprache der Vögel und aller Tiere. Natürlich nicht, als ob sie menschliche Worte gebrauchten, sondern ich verstehe die verschiedensten Nuancen und Empfindungen, die sie in ihre Laute legen. Nur dem rohen Ohr eines gleichgültigen Menschen ist ein Vogelgesang immer ein und dasselbe. Wenn man die Tiere liebt und für sie Verständnis hat, findet man große Mannigfaltigkeit des Ausdrucks, eine ganze ‚Sprache‘.” 

1917 wurde Luxemburg dann ins Gefängnis in Breslau überführt, wo die Haftbedingungen deutlich schlechter waren. 

Der Anblick eines sterbenden Schmetterlings wurde zum Symbol für ihre eigene Lage: „Das halbtote Pfauenauge, das ich gerettet habe, ist in mein Zimmer zurückgekehrt, hat sich in einen dunklen Winkel mit zusammengeklappten Flügeln hingehockt und bleibt regungslos. Ich werde ebenso tun.“ – Als das Pfauenauge starb, nahm der Tod sie sehr mit und sie schrieb: „Mein kleiner Freund, den ich so hütete, ist mir doch heute nacht gestorben, und ich schicke Ihnen seine Leiche. Ich sah gerade noch nach ihm, wie es ihm gehe, als er die letzte Zuckung machte und mit ausgebreiteten Flügelchen flach auf das Fenster fiel. Sehen Sie, wie seine Beinchen krampfhaft gekrümmt und an den Körper gepreßt sind: Das ist die typische Haltung des Todeskampfes bei allen Tieren. Ich konnte heute die ganze Nacht kein Auge schließen“.  In Breslau beobachtete sie zudem wie Büffel, die als Zugtiere vor einen Karren gesperrt wurden, von Soldaten auf dem Gefängnishof geprügelt wurden bis sie bluteten. Sie schrieb dazu in einem Brief:

 „Sie stammen aus Rumänien, sind Kriegstrophäen … Die Soldaten, die den Wagen fuhren, erzählen, daß es sehr mühsam war, diese wilden Tiere zu fangen, und noch schwerer, sie, die an die Freiheit gewöhnt waren, zum Lastdienst zu benutzen. Sie wurden furchtbar geprügelt, bis sie begreifen lernten, daß sie den Krieg verloren hatten und daß für sie das Wort gilt: ‚vae victis‘ [wehe den Besiegten] … An hundert Stück der Tiere sollen in Breslau allein sein; dazu bekommen sie, die an die üppige rumänische Weide gewohnt waren, elendes und karges Futter. Sie werden schonungslos ausgenutzt, um alle möglichen Lastwagen zu schleppen, und gehen dabei rasch zugrunde. – Vor einigen Tagen kam also ein Wagen mit Säcken hereingefahren. Die Last war so hoch aufgetürmt, daß die Büffel nicht über die Schwelle bei der Toreinfahrt konnten. Der begleitende Soldat, ein brutaler Kerl, fing an, derart auf die Tiere mit dem dicken Ende des Peitschenstiels loszuschlagen, daß die Aufseherin ihn empört zur Rede stellte, ob er denn kein Mitleid mit den Tieren hätte! ‚Mit uns Menschen hat auch niemand Mitleid‘, antwortete er mit bösem Lächeln und hieb noch kräftiger ein … Die Tiere zogen schließlich an und kamen über den Berg, aber eins blutete … […], die Büffelhaut ist sprichwörtlich an Dicke und Zähigkeit, und die war zerrissen. Die Tiere standen dann beim Abladen ganz still, erschöpft, und eins, das, welches blutete, schaute dabei vor sich hin mit einem Ausdruck in dem schwarzen Gesicht und den sanften schwarzen Augen wie ein verweintes Kind. Es war direkt der Ausdruck eines Kindes, das hart bestraft worden ist und nicht weiß, wofür, weshalb, nicht weiß, wie es der Qual und der rohen Gewalt entgehen soll … Ich stand davor, und das Tier blickte mich an, mir rannen die Tränen herunter – es waren seine Tränen, man kann um den liebsten Bruder nicht schmerzlicher zucken, als ich in meiner Ohnmacht um dieses stille Leid zuckte. Wie weit, wie unerreichbar, verloren die schönen freien, saftiggrünen Weiden Rumäniens! Wie anders schien dort die Sonne, blies der Wind, wie anders waren die schönen Laute der Vögel, die man dort hörte, oder das melodische Rufen der Hirten. Und hier – diese fremde, schaurige Stadt, der dumpfe Stall, das ekelerregende muffige Heu mit faulem Stroh gemischt, die fremden, furchtbaren Menschen und – die Schläge, das Blut, das aus der frischen Wunde rinnt … Oh, mein armer Büffel, mein armer, geliebter Bruder, wir stehen hier beide so ohnmächtig und stumm und sind nur eins in Schmerz, in Ohnmacht, in Sehnsucht.“ 

An anderer Stelle sagte sie: “Eine Welt muß umgestürzt werden, aber jede Träne, die geflossen ist, obwohl sie abgewischt werden konnte, ist eine Anklage; und ein zu wichtigem Tun eilender Mensch, der aus roher Unachtsamkeit einen Wurm zertritt, begeht ein Verbrechen”. 

Auch wenn Rosa Luxemburg keine Verbindung herstellte, zwischen ihrer tiefen Verbundenheit mit allen fühlenden Wesen und ihrem eigenen Konsum von Tierprodukten, so kann uns ihre Solidarität, die über Speziesgrenzen hinausging, Vorbild sein bei dem Ziel einer befreiten Gesellschaft. Bereits 1910 übte sie in einem ihrer Briefe Kritik an der Jagd. In einem anderen Brief aus ihrer Haftzeit 1917 schrieb sie, sie habe über die Ursache des Schwindens von Singvögeln gelesen (die zunehmende Forst- und Gartenkultur sowie der Ackerbau, der den Vögeln natürliche Nist- und Nahrungsbedingungen entzieht) und meinte: “Mir war es so weh, als ich das las. Nicht um den Gesang für die Menschen ist es mir, sondern das Bild des stillen unaufhaltsamen Untergangs dieser wehrlosen kleinen Geschöpfe schmerzt mich so, daß ich weinen mußte.“ Sogleich stellte sie eine Verbindung her mit dem Schicksal der Indigenen Nordamerikas, die genauso „von ihrem Boden verdrängt und einem stillen, grausamen Untergang preisgegeben“ würden.  So hatte sie schon früh die Verbindung der Unterdrückungsmechanismen gesehen, die zwar unterschiedlich wirken, aber der gleichen Struktur folgen.  

In einer Zeit, in der die “Versöhnung von Mensch und Natur” aber auch das Mitgefühl und Solidarität mit anderen am dringendsten scheint, kann uns auch hier Rosa Luxemburg ein Vorbild sein. Nur die Erkenntnis der Verbundenheit kann uns in eine gerechtere Welt führen.


Rosa Luxemburg (5 March 1871- 15 January 1919), born as Rozalia Luxenburg in Zamość, was an influential German representative of the European workers‘ movement, Marxism, anti-militarism, proletarian internationalism and revolutionary of Polish origin.

Most people are familiar with Rosa Luxemburg, but few know about her deep connection to other animals. However, this is expressed in her numerous letters, with a language that is free of speciesist ideas. There are many of these to list, in the following we can only show an excerpt. For a more extensive picture, it is worthwhile to have a look in her letters.

As co-editor of the newspaper „Die Rote Fahne“ (The Red Flag) she took daily influence on the development of the revolution. In one of her first articles, for example, she called for the amnesty of all political prisoners and the abolition of the death penalty. Because one of her basic convictions was, as she once wrote in a letter: „I know, for every human being, every creature, own life is the only, unique good, which one has, and with every small fly, which one crushes carelessly, the whole world perishes every time; for the breaking eye of this fly, all is gone, as if the apocalypse destroyed all life.“

Rosa Luxemburg did not perceive the animals in her environment as objects, but as individuals, with some of whom she cultivated close friendships. Many people interpret her thoughts and actions as a visionary struggle for reconciliation of humans and nature. Rosa Luxemburg paid for her fight for liberation and freedom from the suffering in society and nature, the struggle against man-made repression, with self-experienced repression, which ultimately resulted in an act of violence, that ended her own life. During the First World War, she spent over three years in various prisons until she was freed in November 1918 in the course of the November Revolution and was able to return to Berlin, where she was murdered just two months later. During her isolation in prison, according to her letters, she felt more connected to all beings capable of suffering and compares her own situation as a prisoner to that of an animal in a cage or „a wild animal in a zoo.“

She also spent a lot of time there studying animal geography. During her imprisonment in Wronke, she had the opportunity to go into a small garden, which she used intensively. There she encountered a variety of animals. From wasps that sat on Rosa’s face, over „harvest mice [that] came into the prison from the field because it was wet outside,“ to bird migration, where she noted „that here different species, which otherwise are mortal enemies, make the great journey southward across the sea peacefully side by side, indeed, it has even been observed that on this journey large birds carry many small ones on their backs.“ Rosa Luxemburg developed a special relationship with some of the birds she encountered during her imprisonment in Wronke and quickly referred to them as her friends, feeding them at her window. She went on to write, „I understand […] the language of birds and all animals. Not, of course, as if they used human words, but I understand the most varied nuances and emotions that they put into their sounds. Only to the raw ear of an indifferent person a bird song is always one and the same. If one loves the animals and has an understanding for them, one finds great variety of expression, a whole ‚language‘.“  

In 1917, Luxemburg was then transferred to prison in Breslau, where the prison conditions were considerably worse. The sight of a dying butterfly became a symbol of her own situation: „The half-dead peacock that I rescued has returned to my room, crouched in a dark corner with its wings folded together, and remains motionless. I will do likewise.“ – She was emotionally touched by the death of the butterfly as she wrote: „My little friend, whom I guarded so much, has died on me tonight after all, and I send to you, its body. I was just checking on it to see how it was doing when it made its last twitch and fell flat on the window with its little wings spread out. See how its legs are convulsively bent and pressed against the body: This is the typical posture of agony for all animals. I could not get a minute of sleep all night.“  In Breslau she also observed how buffaloes, which were locked in front of a cart as draft animals, were beaten by soldiers in the prison yard until they bled. She wrote about this in a letter: 

“They came from Romania; they were trophies of war … The soldiers who rode the wagon told, that it was very effortful to catch these wild animals, and even more difficult to abuse them, who were used to freedom, for load service. They were terribly beaten until they learned that they had lost the war and that for them the word applies: ‚vae victis‘ [woe to the defeated] … About a hundred of the animals are said to be only in Breslau; in addition, they, who were used to the luscious Romanian pasture, get miserable and meager fodder. They are ruthlessly exploited to haul all sorts of trucks, and therefore they perish rapidly. – So, a few days ago a truck came in with sacks. The load was piled so high that the buffaloes could not cross the threshold at the gate entrance. The accompanying soldier, a brutal fellow, began to beat the animals with the thick end of the whip handle in such a way that the attendant indignantly asked him if he had no pity for the animals. ‚No one has pity on us humans either,‘ he replied with a wicked smile and cracked the whip even harder … The animals finally pulled up and got over the hill, but one was bleeding … […] The buffalo skin, which is a proverbial example for thickness and toughness, was torn. The animals then stood very still, exhausted, while unloading, and one, the one that was bleeding, looked in front of itself with an expression in the black face and the soft black eyes like a tearful child. It was directly the expression of a child who has been severely punished and does not know for what, why, does not know how to escape the torment and brute force … I stood in front of it, and the animal looked at me, and my tears ran down – they were his tears, one cannot wince more painfully for the dearest brother than I wince in my swoon for this silent sorrow. How far, how unreachable, lost the beautiful free, lush green pastures of Romania! How different there the sun shone, the wind blew, how different were the beautiful sounds of the birds heard there, or the melodious calls of the shepherds. And here – this strange, eerie city, the dull stable, the sickening musty hay mixed with rotten straw, the strange, terrible people and – the beatings, the blood running from the fresh wound … Oh, my poor buffalo, my poor, beloved brother, we both stand here so powerless and mute and are only one in pain, in powerlessness, in desire.“  

At another point she said: „A world must be overturned, but every tear that has flowed, even though it could be wiped away, is an accusation; and a person rushing to do important work who treads on a worm out of raw carelessness commits a crime“. 

Even if Rosa Luxemburg did not make the connection between her own deep connection with all sentient beings and her own consumption of animal products, her solidarity, which overcame the boundaries of species, can be an example for us in the goal of a liberated society. As early as 1910, she criticized hunting in one of her letters. In another letter from her imprisonment in 1917, she writes that she had read about the cause of the dwindling of songbirds (the increasing forestry and garden culture as well as agriculture, which deprives birds of natural nesting and feeding conditions) and says: „It was so painful for me when I read this. It’s not the song for the people I care about, but the image of the silent inexorable demise of these defenseless little creatures hurt me so much that I had to cry.“ Immediately she makes a connection with the fate of the indigenous people of North America, who would be just as „driven from their soil and abandoned to a silent, cruel demise.“  Thus, she early on saw the connection of the mechanisms of oppression, which work differently but follow the same structure.   

At a time when the „reconciliation of humans and nature“ but also compassion and solidarity with others seems most urgent, Rosa Luxemburg can be a good example for us here as well. Only the awareness of being connected, can lead us to a more just world.

Autorin: Tamara Kühn


Quellen:

Brief an Sophie Liebknecht vom 24. November 1917. 

Rosa Luxemburg: Gesammelte Briefe. 5 Bände, Dietz Verlag, Berlin 1982-1984 

Annelies Laschitza: Im Lebensrausch, trotz alledem. Rosa Luxemburg. Eine Biographie. Aufbau-Verlag, Berlin, 2. Auflage 2002. 

http://totalliberation.blogsport.de/infotext-repression/die-tiere-rosa-luxemburgs/#fn1300385427453n 

Matthias Rude (2013): Antispeziesismus: Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken. Schmetterling Verlag GmbH, Stuttgart 2013. 

1 Kommentar zu „Rosa Luxemburg“

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert